Eine Familiengeschichte oder Nur 7000 Kilometer bis zum nächsten Friseur
Das 20. Jahrhundert ist geprägt von dem turbulenten Weltgeschehen, das den Menschen in und um Europa viel abforderte. Politische Extremzustände – und die daraus resultierenden Weltkriege – waren prägende Lebensbedingungen für die Individuen dieser Zeit; so auch für die Familie von Ira Schwarz.
Iras Geschichte ist dabei gezeichnet vom Lebensweg ihrer Mutter Natalie Benson, deren Weg vom weit entfernten Baikalsee über Lettland schließlich nach Deutschland führt. Als geschäftstüchtige Unternehmerin eröffnet ihre Großmutter, wie auch später ihre Mutter, in jeder Stadt einen neuen Friseursalon und unterstützen so die Familie in den nicht immer einfachen Zeiten.
Entscheidungen tragen ihre Spuren
Bereits die Anfänge der Familie sind gezeichnet von den Krisen der Moderne. Im Jahr 1918 entscheiden sich die Großeltern von Ira Schwarz, mit ihrer Mutter aus der Heimatstadt Tschita am Baikalsee zu fliehen. Da der Ort in der Nähe der mongolischen Grenze liegt, ist das eine Reisestrecke von über 6000 Kilometer bis zum ersten längeren Zwischenstop in Moskau.
Im Vergleich: selbst mit aktuellen Zugverbindungen wäre dies noch eine Reise von über vier Tagen. Im Russland nach der blutigen Oktober-Revolution natürlich ein Wagnis von größerem Ausmaß.
Der Zwischenstop in Moskau wird bedingt durch eine Scharlacherkrankung der Kinder. Die Reise geht schließlich weiter über fast 1000 Kilometer in die lettische Hauptstadt Riga, in der Freunde die Familie empfangen und aufnehmen
Unternehmerin, Flüchtende und Mutter
Nachdem die Familie über 7000 Kilometer zurücklegte, wird sie durch eine neue politische Fügung endlich belohnt – den Staaten Estland, Litauen und natürlich Lettland gelingt die Unabhängigkeit von der jungen Sowjetunion. In dieser Zeit eröffnet Großmutter Benson ihren ersten Friseursalon in Riga; die Stadt, die sie liebevoll „Paris des Ostens“ nennt. Ihre Mutter Natalie erlernt dort ebenfalls den Beruf des Friseurs und die Familie erarbeitet sich durch ihren Unternehmergeist einen bescheidenen Wohlstand.
Der Beginn des 2. Weltkriegs ändert erneut die Lebensumstände und die nun schwangere Mutter Natalie flüchtet schließlich mit dem Schiff über die Ostsee und kommt trotz eines russischen Fliegerangriffs sicher in Mecklenburg an. Die vier Söhne einer Cousine haben nicht so viel Glück und gehen nach dem Treffer eines russischen Torpedos mit dem Flüchtlingsschiff „Wilhelm Gustloff“ in der Nordsee unter. Ein Verlust, der sie ihr Leben lang zeichnen wird.
Das nächste Kapitel: Ira Schwarz
In Nazideutschland, kurz vor Kapitulation, kommt es schließlich zur Geburt Ira Schwarz’ und einem neuen Abschnitt in der Familiengeschichte, der genauso ereignisreich ist, wie der bisherige Werdegang.